Porträt Milena Michiko Flašar Blätterwirbel 2025
Beschreibung
„Alleinstehend. Mit Hamster“, so beschreibt sich Suzu, wenn sie online Kontakte knüpft. Die Protagonistin im Roman „Oben Erde, unten Himmel“ von Milena Michiko Flašar, erschienen 2023, lebt allein in einer japanischen Großstadt. Als sie entlassen wird, weil der Chef sie für zu wenig sozial hält, heuert sie bei einer Firma an, die sich um Wohnungsauflösungen von einsam Verstorbenen kümmert, sogenannten Kodokushi. Konfrontiert mit diesen Schicksalen von absoluter Isolation, aber im Austausch mit Kolleg* innen, findet Suzu zu ihren eigenen emotionalen Bedürfnissen. Häufig stehen psychologische Phänomene im Zentrum der Romane von Milena Michiko Flašar: Mit ihrem Roman „Herr Kato spielt Familie“ von 2018 bespiegelt sie das „Retired Husband Syndrome“, das in Ehen auftritt, in denen der vielbeschäftigte Ehemann in Pension geht. Das Syndrom, das zu manifesten körperlichen Beschwerden führen kann, wurde zuerst in Japan untersucht. In ihrem Roman „Ich nannte ihn Krawatte“ (2012) beschäftigt sich Flašar mit dem Phänomen „Hikikomori“, das auch vor Corona schon in Japan bekannt und verbreitet war, dem gänzlichen Rückzug aus dem sozialen Leben.
Milena Michiko Flašar, mit zahlreichen Preisen und Nominierungen ausgezeichnet, wurde 1980 als Tochter einer japanischen Mutter und eines österreichischen Vaters in St. Pölten geboren und lebt in Wien. Beide Herkunftskulturen sind Welten der Inspiration für sie und spiegeln sich in ihren vielfach ausgezeichneten Romanen. „Ich schätze mein Erbe, sowohl das österreichische als auch das japanische, und zweifellos hat mich sowohl das eine als auch das andere geprägt, letztlich aber lasse ich mich ungern darauf reduzieren und ziehe es vor, ein ‚Weltenmensch‘ zu sein.“ Im Landestheater Niederösterreich lesen Ensemblemitglieder aus Romanen der Autorin sowie aus ihrem neuen Erzählband, der im August 2025 erscheint. Der renommierte Literaturkritiker und Autor Günter Kaindlstorfer kommt mit Milena Michiko Flašar ins Gespräch.