Michael Köpke im Interview
Bühnenbildner Michael Köpke gewährt einen Einblick in die visuelle Umsetzung von Kafkas "Das Schloss"Kafkas Orte und Räume haben immer etwas kafkaeskes, wenn nicht gar alptraumhaftes. Wie interpretierst du das für dich?
Für „Das Schloss“ habe ich zusammen mit dem Team ausgehend von den Eindrücken und unheimlichen Orts- und Landschaftsbeschreibungen des Erzählers im Roman einen atmosphärischen Raum entwickelt. Das Schloss ist als Ort konkret nicht erreichbar. Auf der Bühne übersetzen wir das durch harte Kontraste von Licht und Dunkelheit und durch ein Nebelfeld, das Umrisse verschwimmen lässt, Grenzen auflöst und Figuren zu Schemen verunklart.
Der Nebel, das Verschwinden und Erscheinen, verstärkt sich auch auf der Videoebene. Wie steht diese für die K. umgebenden Figuren ein?
K. bewertet Menschen danach, wie sehr sie ihm Zugang zum Schloss verschaffen. Sie erscheinen ihm begehrlich, engelhaft, mysteriös und verändern sich je nach seiner Bewertung im Lauf der Handlung. Diese vor allem imaginierte, zuschreibende Wandelbarkeit finden wir für das Video interessant. Den Schauspielerinnen werden verschiedene projizierte Doubles zur Seite gestellt, vor deren Erscheinungen sie interagieren. Die Diskrepanz von Sein und Schein, die Ungreifbarkeit und das Unheimliche der Figurenwelt des Romans wird so auf der Bühne sinnlich erfahrbar.
Wie weist der theatrale Raum über den Ausgangstext von Kafka hinaus, was sind deine Hoffnungen dafür?
Das Alptraumhafte der Räume im Roman ist die subjektive Zuschreibung des Protagonisten K. Das Schloss und die es umgebenden Menschen erscheinen bedrohlich, ungreifbar und fluide, weil K. sie dazu macht, überinterpretiert und sich so eine Welt konstruiert, in der er sich selbst als einsam und ausgestoßen erzählt. Wir versuchen über Bühne, Licht, Video, Musik und Körper einen atmosphärischen Raum zu kreieren, der Kafkas Welt im besten Fall sinnlich erfahrbar werden lässt. Der Raum wird so zur Metapher eines Verlorenseins in der Welt und ein Ringen darum, in Gemeinschaften und Systemen zu Hause zu sein.